Digitale Barrierefreiheit – Lernen durch Begegnung
In unserem Post vom 21.06.2024 haben wir euch bereits über einige Änderungen im Bereich der digitalen Barrierefreiheit informiert.
Nun ist es bald so weit: Am 28. Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft. Damit werden neue Standards für die digitale Barrierefreiheit verpflichtend – für eine Vielzahl von Produkten und Dienstleistungen, die sich an VerbraucherInnen richten. Ob Webseiten, mobile Apps, E-Book-Reader oder Selbstbedienungsterminals: Was bislang als freiwillige Verbesserung galt, wird zur gesetzlichen Notwendigkeit.
In diesem Post möchten wir euch aufzeigen, warum digitale Barrierefreiheit uns alle betrifft und wie wir uns bei TBO durch einen Workshop zusätzlich sensibilisieren konnten.
Digitale Barrierefreiheit wird zur Pflicht
Warum das Thema alle betrifft
Barrierefreiheit ist nicht nur eine technische oder formale Frage. Sie ist eine Frage der Haltung. Der Perspektive. Der Zusammenarbeit.
Denn zu oft wird über Menschen mit Einschränkungen gesprochen – statt mit ihnen. Anforderungen werden aus der Ferne interpretiert. Doch echte Inklusion entsteht nicht durch Annahmen, sondern durch Austausch. Sie entsteht im Dialog, durch Co- Kreation, durch echte Teilhabe an der Entwicklung digitaler Produkte.
Barrierefreiheit gelingt nicht durch Checklisten allein. Sondern durch gemeinsames Gestalten.
Daher lautet unser Ansatz bei TBO: Gemeinsam statt über:
Bei TBO sehen wir Barrierefreiheit nicht als lästige Pflicht, sondern als Chance für bessere, inklusivere und nachhaltigere digitale Produkte. Wir begleiten Unternehmen dabei, Barrierefreiheit strategisch, praxisnah und gemeinsam umzusetzen.
Dafür lernen wir durch echte Begegnung. Denn unserer Erfahrung nach sind Einblicke, die Menschen mit Einschränkungen selbst geben können, besonders wertvoll. In einem unserer Workshops haben wir beispielsweise mit einem blinden Experten gearbeitet, der uns ehrlich und fundiert gezeigt hat, wo die Stolpersteine im Alltag wirklich liegen – und wo wir Dinge übersehen, weil wir nicht betroffen sind.
Diese Erfahrung war sehr erkenntnisreich und hat gezeigt: Barrierefreiheit ist nicht theoretisch. Sie ist konkret. Sie betrifft viele Menschen, viele Nutzungen, viele Hindernisse – und viele Chancen zur Verbesserung.
Wie es zu diesem Workshop kam und welche Erkenntnisse er uns geliefert hat, möchten wir euch nun näherbringen.
Digitale Barrierefreiheit – Lernen durch Begegnung
Workshop mit Aaron Christopher Hoffmann
Wir waren bereits auf der Suche nach betroffenen Personen und sind eher zufällig auf Aaron aufmerksam geworden: Er hat eine Kritik zur Klassik Radio Select App hinterlassen, die wir entwickelt haben. Seine Rückmeldung war differenziert, ehrlich und konstruktiv. Kein bloßes „Gefällt mir nicht“, sondern eine echte Auseinandersetzung mit Nutzerführung, Sprache und Bedienbarkeit – aus einer Perspektive, die wir selbst nicht einnehmen können. Diese Kritik hat uns neugierig gemacht. Wer steckt dahinter?
Bei der Recherche haben wir schnell gemerkt: Da spricht jemand, der nicht nur auf digitale Barrieren stößt, sondern sich aktiv für deren Abbau einsetzt. Er ist Klassik-Liebhaber, selbst blind und betreibt einen eigenen Podcast (Aaron’s Podcast) rund um das Thema digitale Barrierefreiheit. Dort spricht er nicht nur über strukturelle Probleme, sondern gibt ganz praktische Tipps, teilt Tools, persönliche Erfahrungen und hilft anderen Betroffenen, sich besser in der digitalen Welt zurechtzufinden.
Wir haben ihn daraufhin kontaktiert und gefragt, ob er sich vorstellen könne, mit uns einen Workshop zu machen. So entstand ein Austausch auf Augenhöhe, ehrlich, direkt, praxisnah – und für uns alle unglaublich bereichernd.
Im Workshop hat er uns in seine digitale Realität mitgenommen. Er hat uns gezeigt, wie er sich mit dem Smartphone durch Websites und Apps navigiert, woran er erkennt, dass etwas nicht funktioniert – und wo EntwicklerInnen zwar gut gemeinte, aber in der Praxis unbrauchbare Lösungen gebaut haben.
Besonders hängen geblieben ist uns eine App, die er regelmäßig nutzt: By My Eyes – sie erlaubt es ihm, ein Foto zu machen, das dann beschrieben wird. Beim Mittagessen hat er sich zum Beispiel seine Pizza beschreiben lassen – Belag, Farbe, Konsistenz – alles wurde ihm vorgelesen. Und mit einem Lächeln richtet er die Kamera auf seinen Vater – und freut sich, als die Stimme aus dem Smartphone sagt: „Alter Mann mit weißen Haaren.“
Solche Geschichten haben uns nicht nur zum Lachen gebracht, sondern auch berührt. Sie zeigen, wie kreativ, selbstbestimmt und mit welchem Humor Menschen mit Einschränkungen digitale Hilfsmittel in ihren Alltag integrieren – und wie viel wir als EntwicklerInnen, GestalterInnen und EntscheiderInnen von ihnen lernen können.
Barrierefreiheit entsteht eben nicht durch Theorien am Schreibtisch, sondern, wie auch sonst gute UX-Konzepte, durch das Einbeziehen der Zielpersonen, durch Zuhören und durch Mitgestalten. Und dieser Workshop hat uns genau das ermöglicht.
Digitale Barrierefreiheit – Lernen durch Begegnung
Fazit: Barrierefreiheit ist Zukunftsfähigkeit
Digitale Barrierefreiheit ist weit mehr als ein gesetzliches Muss. Sie ist Ausdruck einer verantwortungsvollen, modernen und inklusiven Produktgestaltung. Wer frühzeitig handelt, erfüllt nicht nur die Anforderungen des BFSG, sondern geht einen entscheidenden Schritt in Richtung Zukunftsfähigkeit, sozialer Verantwortung und digitaler Qualität.
Denn barrierefreie Angebote sind oft nicht nur für Menschen mit Einschränkungen besser, sondern für alle: Ältere NutzerInnen, Menschen mit geringerer Technikaffinität, Menschen mit temporären Einschränkungen (z. B. bei einem verletzten Arm oder in lauter Umgebung). Wer inklusiv denkt, erreicht mehr Menschen und steigert langfristig den Erfolg seiner digitalen Produkte.
Nur durch echte Teilhabe entstehen digitale Angebote, die niemanden ausschließen und allen Menschen Zugang ermöglichen – unabhängig von individuellen Voraussetzungen.
Jetzt ist die Zeit, Barrieren zu erkennen, Verantwortung zu übernehmen – und neue Perspektiven aktiv einzubinden.
Jetzt handeln und gemeinsam besser werden:
Barrierefreiheit braucht Zeit, Know-how und den Mut, Dinge anders zu denken. Wer frühzeitig beginnt, hat die Möglichkeit, Schritt für Schritt Verbesserungen umzusetzen – und bis Ende Juni nicht nur die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen, sondern echte Inklusion zu leben.
Wir bei TBO unterstützen Sie dabei – mit Wissen, Erfahrung, methodischem Vorgehen und einem klaren Ziel: Digitale Produkte, die niemanden ausschließen.
Melden Sie sich gerne für ein unverbindliches Erstgespräch oder einen Workshop.