Design, Technology, Cool Shit – FITC Amsterdam 2020

Die Verschmelzung von Mensch und Technologie

Regen, Sturm und wenig Sonne. Das waren meine zwei Tage FITC (24./25.2.) in Amsterdam. Das Pakhuis de Zwijger, ein 1934 erbautes Warenhaus, das heute als Event Location dient, befindet sich unweit des Hauptbahnhofs zwischen Booking.com, Facebook und Co. direkt an den Docks. Viele Themen rund um technische Möglichkeiten standen auf dem Plan. Und doch drehte sich alles um den Menschen. Die Verschmelzung von Mensch und Technologie; wir als Designer, die Gestalter von Zukunft und Gesellschaft. Die Verantwortung uns selbst und den Nutzern gegenüber.

 

 

Was erwartet uns in der Zukunft und ist das nützlich?

Sicher nicht alles. Beispielsweise der „ZenGardener„, den Jared Ficklin dazu gebracht hat, mittels Machine Learning vollautomatisiert einen Zen Garten anzulegen. Klar ist dies an dem Sinn eines solchen Gartens völlig vorbei. Darum geht’s aber auch gar nicht — es geht allein um die Möglichkeiten, die wir mittlerweile haben. Betont wird, dass wir als Designer anfangen müssen, räumlich zu denken. Die Interaktion des Menschen mit Technologien findet längst nicht mehr ausschließlich auf dem Bildschirm statt. Seit Jahren kreisen Begriffe wie VR (Virtual Reality), AR (Augmented Reality) und XR (Cross Reality) durch die Design- und Technikwelt. Es geht darum, alte Metaphern aufzubrechen und unseren Umgang mit Informationen neu zu denken.

Der Großteil der Menschen, die heute einen Computer benutzen, haben in ihrem Leben nie Unterlagen in einen physischen Ordner einsortiert. Warum also arbeiten wir noch immer mit diesem System?

Unsere Systeme und Services lassen sich heute so gut durchsuchen, dass eine pflegebedürftige Ordner- oder Baumstruktur völlig unnötig ist. Durch Standortbestimmung zum Beispiel können Informationen heute einfach dort angezeigt werden, wo sie gebraucht werden. Wie wäre es mit der Anzeige des nächstens Meetings in dem Moment, indem ich das Büro betrete? Am besten genau in meinem Sichtfeld durch ein Display in meiner Brille. Stell dir vor, man befindet sich in einem fremden Ort, weiß aber sofort, wo beispielsweise die Toiletten sind. Allein, solche Kleinigkeiten können unseren Alltag um so vieles einfacher machen. Natürlich birgt das ganze auch Risiken und sicher gibt es immer Menschen, die es zu ihren Gunsten ausnutzen wollen. Aber das gab es bei jeder anderen neuen Technologie vorher auch. Und das wird sicher auch immer so bleiben. Nichtsdestotrotz sollten wir den Möglichkeiten gegenüber immer offen bleiben. Denn nur mit offenen Augen können wir sehen, was da auf uns zu kommt.

 

Design als eine Wissenschaft

I am not who you think I am.
I am not who I think I am.
I am who I think you think I am.

— Charles Horton Cooley

 

Was bewegt uns dazu, Stunden unseres Lebens damit zuzubringen, Selfies in gestellten Situation oder Fotos von unserem Essen zu machen? Wir sind soziale Kreaturen und uns ist es wichtig, was Andere von uns denken. Wir vergleichen uns mit uns selbst und mit Anderen. Wir wollen anerkannt und gemocht werden. Ob wir das nun abstreiten oder nicht… Das ist nur ein Punkt von Vielen, den der Psychologieprofessor und jetzige Google UX Design Lead David Hogue in seinem Vortrag „Design Science“ dargelegt hat.

 

Sein Interaction Model stellt die einzelnen Schritte dar, die in unserem Gehirn ablaufen, bis eine Interaktion stattfindet. Allerdings ist noch viel interessanter, was passiert, wenn an einem dieser Schritte etwas schief läuft. Das zeigt wieder einmal, was es bedeutet „Nutzerzentriert“ zu designen. Ein weiterer Punkt, der aus der Herleitung aus der Wissenschaft noch einmal viel klarer und greifbarer wird ist: Wir können nicht so designen, dass die Bedürfnisse aller potenziellen Nutzer erfüllt werden, da wir nicht vollständig und umfassend vorhersehen können, wer sie sein und was sie benötigen könnten.

 

Mach es einfach!

Einen sehr inspirierenden Vortrag hat Gavin Strange gehalten. Er ist Art-Director beim britischen Design- und Animationsstudio Aardman Animations, u.a. verantwortlich für Shaun das Schaf und Wallace & Gromit und Autor von „Do Fly“. Seine Energie ist förmlich auf uns übergeschwappt – und ich saß in der letzten Reihe! Die Keynote war voller bunter Farben, abgefahrener Sounds und den wildesten Kombinationen aus allem, was man so mit digitalen und analogen Tools so anstellen kann. Hier ging es nicht um Inhalt, sondern um Emotionen. Und das hat gesessen.

 

 

Seine Message: Scheiß drauf, wenn du denkst, du bist nicht bereit dazu; wenn dir die richtigen Tools fehlen; wenn du unsicher bist oder Angst hast.
Wenn du Bock drauf hast, dann mach es einfach. Finde deine Stimme, fang an, zieh dein Ding durch und glaube an dich. Und frage vor allem nicht nach Erlaubnis. Einfach nur klasse. Danke dafür.

 

Zu guter Letzt

Die FITC ist eine relativ kleine und überschaubare Konferenz für alle, die etwas mit Design und Technologie anfangen können, gerne aber auch mal über den Tellerrand schauen möchten. Einzig an der Verpflegung über den Tag könnte noch etwas gefeilt werden — die ist, bis auf Kaffee, so gut wie nicht vorhanden. Schade. Allerdings kommt man so auch mal zu etwas Bewegung auf dem Weg zu einem der umliegenden Cafés. Sollte es mal nicht regnen, ist so ein Spaziergang am Wasser ja auch ganz angenehm.

Ingo Börner

Ingo Börner

Ingo ist UX/UI Designer bei TBO. Sein Schwerpunkt liegt auf dem Vereinfachen komplexer Abläufe und dem visuellen Unterstützen von Bedienkonzepten. Als gelernter Media Designer kann er heute auf sein fachliches Wissen und sein Verlangen nach dem Blick auf’s große Ganze, wie Dinge funktionieren, zusammenhängen und vom Menschen wahrgenommen werden, zurückgreifen.