Gendern, aber richtig!

Wie möchtest Du gerne angesprochen werden? Lieber Leser? Liebe Leserin? Liebe*r Leser*in? LiebeR LeserIn? Liebe_r Leser_in? Liebe LeserX?

Gendergerechte Sprache ist ein Minenfeld. Den einen geht es nicht weit genug, die anderen fühlen sich durch kleine Sternchen gestört oder gar bedroht. Es gibt unterschiedliche Ansätze, dies zu lösen. Manche Unternehmen haben einheitliche Regelungen, benutzen statt Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen das Wort Mitarbeitende, andere wie beispielsweise die Tageszeitung taz überlassen es ihren Autoren, welche Variante sie nutzen wollen. Manche Universitäten sprechen ihre Studentinnen und Studenten mit “Studierende” an – ungeachtet der Tatsache, dass dies grammatikalisch impliziert, dass die Studierenden dabei sind, dies auch zu tun. Denn streng genommen ist ein Student in der Uni ein Studierender, abends beim Bier nicht mehr.

 

Sprache gestaltet Realität

Wir sind uns bewusst, dass Sprache Realität bestimmt und gestaltet. Das wissen wir schon allein durch die Werbung. Ein Joghurt ist nicht nur cremig, sondern er ist natürlich cremig – selbst wenn er in einer Fabrik abgefüllt wird. Oder wer hätte gedacht, dass Geiz geil sein könnte?

In einem Experiment haben Forscher Kindern stereotypisch männliche Berufe vorgestellt. Einmal haben sie dabei nur die männliche Form verwendet, ein anderes Mal die männliche und weibliche Form. Und das machte tatsächlich einen Unterschied: Wurden beide Formen genutzt, hatten die Schülerinnen und Schüler eher das Gefühl, den Job selbst erfolgreich ausführen zu können. Wir sind überzeugt: Gäbe es in Geschichten mehr Astronautinnen und in Märchen mehr Ritterinnen, sähe unsere Welt ganz anders aus.

 

Was ist das Generische Maskulin?

Nun gibt es aber in unserer Sprache Worte, zu denen es gar keine weibliche Form gibt: Giraffen und Aschenbecher beispielsweise. Allerdings haben diese auch kein Bedürfnis, irgendwie korrekt und wertschätzend angesprochen zu werden. Alle anderen werden unter dem so genannten “Generischen Maskulin” zusammengefasst. Das generische Maskulinum ist somit die „Fähigkeit maskuliner Personenbezeichnungen, geschlechtsabstrahierend verwendet zu werden, insbesondere wenn es nicht um konkrete Personen geht.“[1] Mit anderen Worten: Frauen, fühlt Euch mit gemeint.

Ich als Mann kann nur bedingt nachempfinden, was das bedeutet, aber vermutlich ist es ähnlich befriedigend, wie damals, wenn ich als Kind Postkarten von der Verwandtschaft aus dem Urlaub bekam, die an “Familie Glade” adressiert waren. Ich war enttäuscht, wollte ich doch auch mal eigene Post bekommen. Dieser Vergleich hinkt natürlich, denn niemals ging es beim Versenden von Karten-Grüßen um das Zementieren von Macht, wie es bei Sprache viel eher der Fall sein kann.

 

Warum wir kommunizieren wie wir kommunizieren

Wir sind uns bei TBO der Verantwortung zum Thema Emanzipation bewusst, und auch der Schwierigkeiten – zumal wir hier noch immer nicht an alle Geschlechtlichkeiten zwischen Cis-Männern und Cis-Frauen gedacht haben (Als Cis-Mann/Cis-Frau werden diejenigen bezeichnet, deren Geschlechtsidentität dem Geschlecht entspricht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde).

Allerdings sehen wir unsere Texte als eine Art Gebrauchsware, mit denen wir verständlich und direkt, einfach und effizient über unsere Arbeit kommunizieren wollen. Eine Sprache, die Sternchen und Strichelchen und X verwendet, ist das nicht. Von Mitarbeitenden zu sprechen statt von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, kommt uns etwas schwer über die Lippen, daher benutzen wir das schöne Wort „Team“. Ohnehin verwenden wir gerne ab und zu eine englische Vokabel, beispielsweise User statt Nutzerinnen und Nutzer. Oft fällt uns im richtigen Moment auch ein neutrales Wort ein, das beide Geschlechter und alle dazwischen miteinschließt: Mensch statt Frauen und Männer. Und sollten wir dann doch einmal vom generischen Maskulin Gebrauch machen, dann nur weil es einfacher ist und nicht den Lesefluss behindert.

In diesem Sinne: Liebe Menschen, wie seht Ihr das?

[1] https://bop.unibe.ch/linguistik-online/article/view/915/1594

Clemens

Clemens

Clemens wuchs in der Heimatstadt Goethes auf und hat lange Jahre in Berlin nahe des Friedhofs gelebt, auf dem die Brüder Grimm begraben liegen. Das prägt. Da dann noch ein Studium der Romanistik, Philosophie und Kulturwissenschaften hinzukam, blieb ihm nur eine Wahl: Taxi fahren oder „irgendwas mit Medien“. Zum Glück entschied er sich für letzteres.